Selbsthilfegruppe für Protagonist*innen Teil 1: Das Kennenlernen

Header Steffi Frei Selbsthilfegruppe

Was tun mit einer Bande verstörter und ins Unglück gestürzter Protagonist:innen? Genau: Man pfercht sie zusammen in einen Raum und nennt es eine Selbsthilfegruppe. 😉

Mein Herz schlägt definitiv für Protagonist:innen mit Ecken und Kanten, solchen, die ein ordentliches Päckchen zu tragen haben. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sämtliche meiner Protagonist:innen die einen oder anderen psychischen Probleme mit sich rumschleppen. Und ich mache es ihnen nicht gerade leichter, indem ich sie in ihren Geschichten ordentlich durch die Hölle schicke. Aber ich habe als Autorin immerhin eine gewisse Verantwortung. Also dachte ich mir, ich muss etwas unternehmen. Nur was? Therapieplätze sind rar, aber reden hilft doch immer, oder? Wie wäre es also mit einer Selbsthilfegruppe?

Gesagt, getan. An dem heutigen ersten Kennenlerntreffen nehmen teil: Sera und Finéra aus Das Schicksal der Fearane; Milena, Rico und Vic aus In den Farben der Finsternis; Rayana aus Rayana und die Sonnenkinder von Sol-Dhana sowie Freyra und Leandro aus Myzinthias Rache.

Bevor es losgeht: Bei dieser Themenreihe handelt es sich um eine humoristische Aufbereitung und eine Möglichkeit, meine Protagonist*innen mal auf eine andere Weise als im gewohnten Buchformat kennenzulernen. Die Verwendung einer Selbsthilfegruppe als Setting ist hier mit einem Augenzwinkern zu verstehen, was keineswegs als Abwertung oder Verunglimpfung dieser wichtigen Art der Hilsangebote zu verstehen ist! Ich nehme psychische Erkrankungen sehr ernst und behandele sie auch dementsprechend in meinen Büchern.

Aber nun: Viel Spaß mit diesem kleinen Mitschnitt aus dem ersten Selbsthilfegruppentreffen!

Mitschnitt Treffen 1: Das Kennenlernen

Finéra (legt Sera mitfühlend eine Hand auf den mit grünen Symbolen verzierten Arm): Ich bin Finéra und stamme aus dem kleinen Menschendorf Schilfstätt, das ganz in der Nähe des Lichtwaldes liegt. Trotzdem habe ich zuvor noch nie eine Fearane gesehen, obwohl ich bereits meinen fünfzehnten Sommer erlebt habe. Die Gründe dafür lerne ich gerade von meinem neuen Lehrmeister, der mich in die Geschichte der Fearane einweiht. Und Sera hat recht, diese ist sehr umfangreich, denn zu meinen Lebzeiten sind die geflügelten Waldwesen längst aus unserer Welt verschwunden. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie eines Tages wiederkehren …

(Sera lächelt traurig und wissend zugleich.)

Milena (betrachtet Sera mit großen Augen, ehe sie es schafft, sich von dem Anblick zu lösen): Äääähm, na gut, dann fahre ich mal fort. Aber zuerst muss ich dir sagen, dass ich dich echt um deine Flügel beneide, Sera. Die sind so … WOW. Ach so, ich bin übrigens Milena, 25 Jahre alt, und lebe in Lietburg, einer kleinen ehemaligen Industriestadt in Deutschland. Ich bin Künstlerin mit einem Faible für Düsteres und jede Art von ausgefallener Schönheit. (Richtet sich erneut an die Fearane.) Ich muss wirklich sagen, dass ich dich echt gern zeichnen würde. Wenn es dir nichts ausmacht, dann … (Vic tippt sie an.) Oh, ähm, sorry. Ja, das klären wir vermutlich besser später. Also, tja, was gibt es noch zu sagen? Hm, ich hab schon einige Erfahrungen mit solchen Gruppensitzungen und auch anderen Therapieformen. Aber … das sprengt jetzt wahrscheinlich den Rahmen. Um es kurz zu machen: Ich gehe nicht sonderlich gern vor die Tür, weil ich … eine irrationale Angst vor allem möglichen habe. Wobei sich kürzlich gezeigt hat, dass sie nicht allzu irrational ist, immerhin kann man dort draußen verdammt gefährlichen Wesen über den Weg laufen … (Zuckt mit den Schultern und grinst ihrer Sitznachbarin schief zu.)

Vic (kichert, ehe sie spricht): Soll ich mich jetzt etwa angesprochen fühlen? (Feixt ein wenig und räuspert sich dann.) Okay, ähm, hi, ich bin Vic und lebe auch in Lietburg. Ursprünglich stamme ich aus der Bretagne, aber meine Eltern kommen aus Marokko, und ich bin ein Kind der Achtziger. (Wirft sich gespielt affektiert die voluminöse Lockenpracht über die Schulter.) Ja, ich habe mich erstaunlich gut gehalten, nicht wahr? Okay, Spaß. Ich bin eine Vampirin. So, die Bombe ist geplatzt. Aber chillt, Leute. Ich hab den Blutdurst echt im Griff. Konsens ist mir absolut wichtig, also sorgt euch nicht um eure Schlagadern. (Lacht gackernd auf.) Sorry, ich wollt nur die Stimmung lockern. Die Vamp-Bombe ist manchmal ein echter Stimmungskiller, aber … offenbar hilft mein Humor auch nicht. Gut. Rico! (Sie rammt dem Vampir neben sich den Ellbogen in die Seite.)

Rico: Au, fuck. Ist ja gut. Ich bin Rico. (Fährt sich über das kurzgeschorene Haar.) Ich bin auch ein Vampir. Vic und ich arbeiten in Lietburg für denselben Kerl und spielen so eine Art Vermittler zwischen den verschiedenen Vampirgangs. Jedenfalls war das so, bis ich Milena über den Weg gelaufen bin und die Dinge etwas kompliziert wurden … Na ja, ähm, im Gegensatz zu Vic hatte ich so meine Probleme mit der Blutgier, aber (das Schaben gezogener Waffen erklingt) – alles gut, ich werd schon niemandem die Kehle rausreißen. Ich bin jedenfalls nicht scharf drauf. (Starrt einen Moment mit angespannten Zügen auf das hölzerne Übungsschwert in den Händen der jungen Frau neben ihm.) Ich kann immerhin nichts dafür, okay? Hab mir nicht ausgesucht, dem Klub 27 beizutreten, um kurz drauf als das hier wiederzuerwachen. (Dunkle Adern durchziehen sein Gesicht und die Spitzen von Reißzähnen lugen unter seiner Oberlippe hervor.)
(Wieder schaben Waffen, doch niemand unternimmt einen ernsthaften Angriffsversuch. Vermutlich weil Rico trotz der monströsen Züge ein Bild des Jammers abgibt. Milena legt ihm über Vics Schoß hinweg eine Hand aufs Knie.)

Rayana (räuspert sich nach längerer Stille): Also ich heiße Rayana und stamme aus einer Stadt, in der ihr beide (deutet auf Vic und Rico) euch vermutlich nicht sonderlich wohl fühlen würdet. Sol-Dhana wird auch als die Stadt des ewigen Lichtes bezeichnet, aus dem einfachen Grund, dass es dort niemals dunkel wird. Wir haben extra eine künstliche Sonne, um ununterbrochen Licht und Sonnemagie zur Verfügung zu haben.

(Vic und Rico verziehen unisono das Gesicht.)

Milena (flüstert): Aber hey: Magie! Voll der Pluspunkt.

Rayana: Ich bin in einem der zahlreichen Waisenhäuser Sol-Dhanas aufgewachsen, zusammen mit meinem besten Freund Kalux. Wir trainieren, seit wir uns kennen, gemeinsam Schwertkampf, weil wir einmal an die Sol-Akademie gehen wollen, um Soldat und Soldatin zu werden und unsere Stadt zu beschützen. (Reckt in einer stolzen Geste das mit zahlreichen Kerben versehene Übungsschwert empor.)

(Höfliche Beifallbezeugungen von Milena und Leandro.)

Freyra (lehnt sich betont gelangweilt auf ihrem Stuhl zurück und pult mit einem Stilett Dreck unter ihren Fingernägeln hervor, ehe sie undeutlich murmelt): Was für ein Haufen. (Fährt lauter fort:) Mein Name ist Freyra, manchmal bin ich auch Freyn oder jemand anderes. Tarnung ist alles in meinem Metier, denn ich bin …

(Leandro neben ihr niest wiederholt in ein spitzenbesetztes Taschentuch, wobei das Niesen verdächtig nach »Diebin«, »Betrügerin« und »Meuchelmörderin« klingt.)

Freyra: … Jägerin magischer Artefakte. Und ich bin ziemlich gut in meinem Beruf, um nicht zu sagen, die Beste. (Lächelt selbstgefällig.) Ich hab zwar keine Ahnung, wozu es gut sein soll, euch etwas von meinem Leben zu erzählen, aber bitte, wenn es euch hilft. Ähm … ich habe auf der Straße gelebt, was mich gestählt hat, und bevorzuge es auch jetzt noch, frei umherzuziehen. Allerdings tue ich es heutzutage mit stets gut gefülltem Geldbeutel, meinem Auftraggeber sei Dank.

Leandro (bedenkt Feyra mit einem pikierten Blick, ehe er gewinnend in die Runde lächelt): Seid gegrüßt, mein Name ist Leandrobal von Schwanschwing-am-Berge, Graf des schönsten Landstriches Erydaniens. Aktuell befinde ich mich im Exil, da mich ein schweres Los ereilt hat.

(Freyra schnaubt verächtlich.)

Leandro: Erst kürzlich hatten meine flegelhafte Begleiterin (deutet auf Freyra) und ich einen Disput über Leid und dessen Gewichtung. Und obschon ich mir meiner privilegierten Herkunft durchaus bewusst bin, lasse ich mir meinen Leidensdruck nicht absprechen. Mich hat jüngst ein Schicksalsschlag getroffen, der mir schwer zusetzt, denn ich (starrt für einen Moment wie gebannt auf einen goldenen Ring an seinem Finger, während Freyra neben ihm die Augen verdreht) wurde verflucht. (Legt eine längere Sprechpause ein, offenbar in der Erwartung einer ausschweifenden Reaktion seiner Zuhörenden – doch diese beschränkt sich auf neugieriges Schweigen.) Wohl an, ich sollte wohl etwas weiter ausholen, um zu verdeutlichen, wie dramatisch –

Freyra: O bitte, verschon uns mit deinem Gesülze. Er hat sich’s mit einer seiner zahlreichen Geliebten verscherzt, nicht ahnend, dass es sich um eine Magierin handelte. Tja und zum Abschied gab es ein Geschenk der besonderen Art. (Sie deutet auf den Klunker an Leandros Finger.)

Leandro: Ja, da hatte ich wohl auch noch Glück, was? Ich hätte ja auch an eine wie dich geraten können. Du hättest mich hinterrücks gemeuchelt, nicht wahr? Erzähl doch mal davon, von deinen zahlreichen –

Freyra: Als hätte ich jemals etwas mit jemandem wie dir angefangen!

Vic: Wooow, Leute, entspannt euch. Kein Grund, gleich so aus der Haut zu fahren, oder?

Milena (murmelt): Vielleicht war es doch keine so gute Idee, uns alle hier zusammen in diesen Raum zu pferchen.

Rico (raunt): Falls die Killerdiebin dem Snob gleich ihren Dolch in die Brust rammt, kann ich für nichts mehr garantieren. (Seine Reißzähne blitzen auf.)

Milena: Rico, reiß dich zusammen!

(Rayana richtet ihr Schwert abwechselnd auf Rico und Freyra, bereit, eine nach dem anderen außer Gefecht zu setzen.)

Sera: Ein jedes Leben ist kostbar. Ihr könnt nicht ermessen, welch Schaden eure Seele durch das Auslöschen eines solchen erfährt.

Freyra (prustet): O doch, ich habe eine ziemlich genaue Vorstellung davon. Glaub mir.

Stimme aus dem Off: Okay, Leute. Vielen Dank für euer Erscheinen, wir beenden das heutige Treffen an dieser Stelle. Schön, dass ihr euch die Zeit genommen und euch so rege ausgetauscht habt. Ich hoffe, euch beim nächsten Mal wieder vollzählig begrüßen zu dürfen.

Freyra (murrt): Als hätten wir eine Wahl …

Puh, ich habe das Gefühl, dieses Treffen ist noch einmal glimpflich ausgegangen. Wie wohl das nächste verläuft? Wir erfahren es nächste Woche, selbe Zeit, selber Ort.



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