Selbsthilfegruppe für Protagonist*innen Teil 2: Eltern-Probleme?

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Meine Protagonst*innen haben massenhaft Probleme, doch sind ihre Eltern (k)eins davon …?

Ist euch auch schon mal aufgefallen, dass die Protagonist:innen in Fantasyromanen häufig Eltern-Probleme haben? Selten kommen die angehenden (Anti-)Held:innen aus einem funktionalen Elternhaus. Wenn doch, dann sterben die Eltern nicht selten oder sind sonst irgendwie nicht erreichbar. Bei einem Blick auf meine eigenen Protas dämmerte mir, dass in dieser Hinsicht ebenfalls einiges im Argen liegt. Daher habe ich sie angeregt, sich beim zweiten Treffen der Selbsthilfegrupe darüber auszutauschen. Du hast das erste verpasst? Hier gehts es zum ersten Selbsthilfegruppentreffen.

Gesagt, getan. An dem heutigen zweiten Treffen nehmen teil: Sera und Finéra aus Das Schicksal der Fearane; Milena, Rico und Vic aus In den Farben der Finsternis; Rayana aus Rayana und die Sonnenkinder von Sol-Dhana sowie Freyra und Leandro aus Myzinthias Rache.

Bevor es losgeht: Bei dieser Themenreihe handelt es sich um eine humoristische Aufbereitung und eine Möglichkeit, meine Protagonist*innen mal auf eine andere Weise als im gewohnten Buchformat kennenzulernen. Die Verwendung einer Selbsthilfegruppe als Setting ist hier mit einem Augenzwinkern zu verstehen, was keineswegs als Abwertung oder Verunglimpfung dieser wichtigen Art der Hilsangebote zu verstehen ist! Ich nehme psychische Erkrankungen sehr ernst und behandele sie auch dementsprechend in meinen Büchern.

Content Notes

Falls du selbst Erfarungen mit einem problematischen Elternhaus gemacht hast, könnte dich der folgende Text ggf. belasten, auch wenn nicht in die Tiefe gegangen wird. U. a. wird behandelt: Tod, Vernachlässigung. Read carefully! <3

Aber nun: Viel Spaß mit diesem kleinen Mitschnitt aus dem zweiten Selbsthilfegruppentreffen!

Mitschnitt Treffen 2: Eltern-Probleme?

Sera (schluckt schwer, in ihren Augen glänzen Tränen): Meine Mutter … ist kürzlich einem Anschlag zum Opfer gefallen. Ihr Tod ist der Grund für die Mission, die mir auferlegt wurde. Ich soll als nunmehr letzte Tiare ihren Platz im Rat der Zwölf einnehmen. Dabei habe ich kaum ihren Verlust überwunden. Auch wenn wir uns nicht mehr gesehen haben, seit sie vor vielen Sommern in den Urwald aufgebrochen ist, wusste ich doch stets, dass sie dort draußen ist. Aber nun … Und mein Vater ist bereits vor ihrem Fortgang verstorben und hinterließ seinen Seelengefährten. Oh, meine Eltern waren nicht miteinander verbandelt, müsst ihr wissen. Sie haben sich zusammen fortgepflanzt, aber nie mehr als respektvolle Zuneigung füreinander gehegt. So ist es üblich bei uns Fearanen. Es ist sehr selten, dass sich zwei Seelengegenstücke wiederfinden, zwei die füreinander bestimmt sind, Gefährten auf Lebzeiten … (Ihr Blick schweift in eine unbestimmte Ferne.)

Finéra: Meine Eltern und meine zwei kleinen Schwestern leben noch in Schilfstätt, während ich in Erosia bei meinem Lehrmeister wohne und studiere. Meine Eltern … haben diesem Arrangement nicht ganz freiwillig zugestimmt. Mein Vater ist Getreidebauer und erwartet eigentlich, dass ich auf dem Feld helfe. Mein Lehrmeister hat ihn sozusagen bestochen, damit er mich hier dem Studium überlässt – wenn er allerdings wüsste, dass ich mich der Fearanekunde widme, würde er mich an den Haaren nach Hause zerren. Er hält die Fearane für widernatürliche, gefährliche Biester. Und meine Mutter würde mir die Backpfeife meines Lebens verpassen … Manchmal wünschte ich, sie würden mich verstehen …

Milena (betrachtet das junge Mädchen neben sich mitfühlend und nickt verstehend): Meine Mutter ist gestorben, als ich noch sehr jung war und mein Vater – nun, er wird wohl niemals den Preis für den besten Papa der Welt bekommen. Nicht einmal ansatzweise. Genau genommen ist er an all dem Schlamassel schuld, in den ich in letzter Zeit geraten bin. Weil er sich wie der hinterletzte Arsch aufgeführt hat, nachdem wir uns jahrelang nicht gesehen haben. Er hat mich und meine ältere Schwester nämlich einfach sitzenlassen, kaum dass ich achtzehn geworden bin. Als wären seine elterlichen Pflichten damit endgültig aufgehoben. Na ja, Mellie nennt ihn nicht umsonst einen Dementor – er saugt einem mit seiner bloßen Anwesenheit alles Gute aus.

Vic (tätschelt ihr das Bein. Erst nach einer Weile merkt sie, dass das Wort an ihr ist): Oh, ich … ehrlich gesagt … na ja … ich liebe meine Eltern. Habe sie immer geliebt. Sie waren die Besten. Aber ich musste sie vor vielen Jahrzehnten verlassen, nachdem ich … na ja, gestorben bin. Vielleicht hätte ich bleiben können, aber ich brauchte Zeit, um alles zu verarbeiten, musste lernen, wer ich geworden war und hinterher … Wie hätte ich ihnen all das erklären sollen? Sie waren solch gute, allahfürchtige Menschen … Vielleicht wollte ich sie mir einfach als das bewahren, was sie stets für mich waren: liebende Eltern. (Sie lächelt traurig.) Nach meiner Verwandlung hat mich Babette unter ihre Fittiche genommen und wurde mit der Zeit meine zweite Maman. Bis ich auch sie verlassen musste … (Seufzt.) Dafür habe ich jetzt Lugh, meinen Ersatzpapa. (Das Lächeln auf ihren Lippen verbreitert sich.)

Rico: Ich hab nichts dazu zu sagen. Meine Eltern waren okay. Sie waren eben meine Eltern. Ich hab sie ebenfalls hinter mir gelassen, nachdem ich zu dem wurde, was ich jetzt bin. Zusammen mit dem kompletten Rest meines einstigen Lebens. Das Einzige, was mir von ihnen geblieben ist, ist die Uhr meines Vaters. Keine Ahnung, wieso ich sie überhaupt noch besitze … Ich sollte sie wegwerfen. Erinnerungen und Andenken sind nicht als … schmerzhafter Ballast.

Vic (flüstert): Wirf sie nicht weg. Denk dran, was Lugh gesagt hat.
(Rico zuckt die Achseln.)

Rayana: Wie ich schon letztes Mal erzählt habe, bin ich in einem Waisenhaus aufgewachsen, also dürfte klar sein, dass meine Eltern … nicht mehr leben. Von meinem Vater habe ich nicht einmal mehr ein Bild vor Augen, ich war gerade einmal drei, als die Sonne ihn zu sich geholt hat. Meine Mutter erkrankte zwei Zyklen später schwer und man brachte mich bereits vor ihrem Tod ins Waisenhaus. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Unbeschienene – so nennen wir in Sol-Dhana jene, die nicht von Sonnenmagie durchdrungen sind – erkranken. Deswegen gibt es so viele Waisenhäuser. Seit damals befinde ich mich in der Obhut von Hausmutter Nannik, die sich, so gut es eben geht, um an die hundert Kinder kümmert. Sie ist … na ja, sagen wir so: Solange wir uns an die Regeln halten, macht sie uns keine Scherereien. Aber es gibt viele Regeln und die Strafen sind hart …

(Sera gibt einen erschrockenen Laut von sich und auch Milena schüttelt den Kopf.)

Freyra (zeigte keinerlei Regung, blickt jedoch von Beginn des Treffens an finster drein): Ich wüsste nicht, was es euch angeht, aber wenn ihr es unbedingt wissen müsst: Meine Mutter hat mich und meinen Vater verlassen, da war ich gerade einmal zwei oder drei. Aber wir waren ohne sie ohnehin besser dran, sind zusammen mit einer Gruppe Spielleute rumgezogen. Mein Vater war der beste Taschenspieler, den es gibt, von ihm habe ich meine … Fingerfertigkeit geerbt. Tja, aber Zynur, Gott des Todes, konnte es nicht lassen und hat sich meinen Vater gekrallt, als ich noch eine kleine Göre war. (Sie wirft der jungen Frau neben sich einen scheelen Blick zu.) In Erydanien gibt es keine Zufluchtsstätten für Waisen, ich war also fortan auf mich gestellt. Das Leben auf der Straße war mein Lehrmeister, das war sicher kein Zuckerschlecken, aber es hat sich ausgezahlt. (Reckt herausfordernd das Kinn.)

Leandro (verzieht das Gesicht): Nun … meine Mutter war eine … unterkühlte Frau. Ich kann nicht sagen, dass sie mich sonderlich gemocht hätte. Sie hatte stets recht starre Vorstellungen davon, wie ein angehender Graf zu sein habe. Und mein Vater war ein sehr beschäftigter Mann. Doch ich war kein einsames Kind, ich hatte meine große Schwester Leandra und meine Kinderfrau Amalie. Durch sie habe ich Zuneigung und Behütung erfahren.

(Freyra äfft den letzten Satz stumm nach und gibt einen Würgelaut von sich.)

Leandro: Man könnte meinen, daran hätte es dir dein Lebtag gemangelt.

(Freyras rechte Hand schließt sich um ihren Drachendolch.)

Stimme aus dem Off (aufgesetzt fröhlich): So, ihr Lieben, das war es schon wieder für heute. Ich danke euch vielmals für euer heutiges Erscheinen und eure offenen Beiträge. Schwierige Eltern-Beziehungen scheinen unter (Anti-)Held:innen der Fantasy unerklärlicherweise gehäuft aufzutreten. Da könnte man fast meinen, dahinter stecke irgendein Kalkül … (Räuspert sich.) Nun gut, ich hoffe, euch auch beim nächsten Treffen wieder versammelt vorzufinden. Bis dahin: Passt auf euch auf!

Das nächste Mal lasse ich mir wohl besser im Vorfeld alle Waffen aushändigen, bevor die Selbsthilfegruppe ein unerfreuliches Ende nimmt … Zumal das nächste Treffen kaum weniger prekär werden dürfte, denn da widmen sich meine Protas ihren seelischen Knackpunkten. Schaust du auch wieder vorbei?


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